Reiten

Wie Christian in einem Kommentar schon angemerkt hat, schreibe ich hier nur vom Biertrinken statt vom Reiten. ;-)  Übers Reiten hier in Kalifornien (weswegen ich eigentlich hergekommen bin) möchte ich denn nun kurz etwas schreiben. Mein Arbeitskollege Werner übt den Sport „Bowling“ aus, und er fährt regelmäßig nach Las Vegas um sich dort von den Profis unterrichten zu lassen. Er sagte mir dass die Pro’s ihn beim ersten Mal komplett auf links gedreht haben und ersteinmal die Basis korrigieren. Das hat zur Folge, dass dann rein gar nichts mehr klappt. Erst von dort aus, wenn die Basis wieder korrigiert ist, kann man weiter aufbauen und es wird dann auch wirklich besser als vorher.

Genau so geht es mir auch gerade. Ich hatte ja schon geschrieben dass ich die Turniere an den Nagel gehängt habe. Nun habe ich mich auch noch entschieden, die Reitweise zu ändern, da der tägliche Reining-Drill weder mich noch mein Pferd weiterbringt. Als ich noch zu Hause war dachte ich, dass ich ein ganz passabler Reiter bin, mein Pferdchen folgt sehr feinen Signalen und mein Sitz ist auch OK (das hat Jeff mir sogar beim Kurs im Juni bestätigt). Dass ich sehr selten andere Pferde reite, und die Tatsache dass ich bisher überwiegend von Reining-Trainern Unterricht bekam, rächen sich jetzt. Um den Unterschied etwas deutlicher zu machen möchte ich mal einen Vergleich der beiden Reitweisen anstellen.

Das Training eines Reining Pferdes beschränkt sich im wesentlichen darauf, kleine langsame und große schnelle Zirkel zu galoppieren, schnell zu drehen und lange Slides beim Stoppen zu erreichen. Punkt. Mehr nicht. Da die Futurities und die Derbys mit 3-Jährigen Pferden geritten werden (ist übrigens im Galopprennsport nicht anders), muss man entsprechend früh mit den Babys anfangen zu trainieren, oft schon wenn sie noch keine 2 Jahre alt sind. Man hat also gut ein Jahr Zeit, um das Maximum aus einem Pferd rauszuholen. (Zum Vergleich: Wenn bei einem Dressur Grand Prix ein 10-jähriges Pferd an den Start geht, dann sagt der Kommentator für gewöhnlich dass das noch ein junges, unerfahrenes Pferd ist.) OK man hat also nur ein Jahr Zeit, also bedient man sich Methoden, die das Pferd am schnellsten zu den gewünschten Manövern bringen. In den Südstaaten der USA (vor allem Texas) hat man dazu das Problem, dass es im Sommer so brüllend heiß ist, dass man fast nicht ordentlich trainieren kann. Also bleibt noch weniger Zeit.

Die Vaqueros in Kalifornien hatten – im Gegensatz zu den Texanern – das ganze Jahr über ideales Wetter, das Wort Zeit hatte also für sie überhaupt keine Bedeutung. Es dauert eben so lange wie es braucht, ein Pferd zu trainieren. Die Vaqueros waren diejenigen, die die riesigen Rinderherden (oft zig tausende pro Farm) hüten mussten. Das Hüten bestand aus dem Treiben von einer Gegend in die andere, das Brandmarken der Rinder (if you don’t brand your cattle, someone else will!), sowie die medizinische Versorgung einzelner Rinder. Um das in freiem Gelände ohne Zäune oder Hilfsmittel tun zu können, brauchten sie robuste Pferde, mit denen sie den ganzen Tag (von 3 Uhr morgens bis 10 Uhr abends!) unterwegs sein und in jeder Situation schnell und flink reagieren konnten. Die Spanier brachten dazu die Reitkunst im 18. Jh. mit nach Kalifornien, wo sie perfektioniert wurde (die Garrocha wurde z.B. gegen das Rope eingetauscht). Hier sagt übrigens niemand Lasso, das Ding heißt entweder „Reata“ (von spanisch la reata: das Seil) wenn es aus Rohhaut geflochten ist, oder „Rope“ wenn es anderes Material ist (z.B. Baumwolle, Polyester, Nylon o.a.). Es ging sogar soweit, dass die Vaqueros zum Sport begannen, die zahlreichen Bären zu ropen, die anfingen die Bevölkerung zu bedrohen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie gut ein Pferd geritten sein muss, um einen ausgewachsenen Grizzly Bären mit dem Rope fangen zu können.

OK, zurück zu mir, dem nichts ahnenden deutschen Working Student. Zum Reiten bekam ich Sophie, eine Kaltblutstute die sehr sensibel ist, aber auch sehr faul. Unter Jeff oder Katrina macht sie alles, Seitengänge, fliegende Wechsel, Stops auf den Punkt usw. Meine ersten Ritte waren jedoch eine Katastrophe, weil nicht besonders viel funktionierte von dem was ich sonst so mit meinem eigenen Pferd anstellen kann. Wie Kollege Werner schon sagte, die krempeln einen komplett auf links und dann klappt gar nichts mehr. Angefangen bei der Zügelführung: Ich bin es von der Reining gewohnt, die Vorhand des Pferdes mit dem äußeren Zügel zu verschieben. Hier reitet man jedoch mit 20% Zügel-, und 80% Körperhilfen. Bestes Beispiel ist der Rollback. Bisher hieß es immer: Anhalten, Gewicht nach innen, äußeren Zügel an den Hals und Küsschen geben (Wehe du benutzt das äußere Bein!). Funktioniert hier aber nicht. Den äußeren Zügel ignoriert Sophie beim Rollback komplett. Erst wenn ich ein wenig den inneren Zügel annehme, und mit dem äußeren Bein treibe (mit viel Liebe, denn sie ist sehr faul :-) ), dann bewegt sich das Pferd. Dann werden auch noch die Steigbügel direkt mal 4 Loch länger gemacht, um besseren Kontakt zum Pferd zu bekommen. Überhaupt ist alles anders. So langsam freunden Sophie und ich uns an, aber es ist noch ein laaanger Weg. Sie ist eine gute Lehrerin, denn wenn ich etwas falsch mache, dann macht sie einfach nichts (Manche mögen es Dickköpfigkeit nennen). Erst wenn ich die korrekten Hilfen gebe, macht sie das was gemeint ist. Hier ein Bild von Sophie mit einem Vaquero Sattel:kIMG_1189

All diejenigen, die coole Action-Videos erwarten, muss ich leider enttäuschen, mit der Action das dauert noch etwas. Dafür übe ich fleißig mit meinem neuen 50 ft Poly Rope am Roping Dummy (ein kleines Rind aus Holz :-) ).

3 Gedanken zu „Reiten

  1. Chrissi

    Ich muss gerade was schmunzeln :) Alles bei denen ist so riesig und das Kalti sieht für mich aus, wie ein Quarter mit riesigem Kopf :D

    Aber ich habe mir auch schon gedacht, dass die Pferde anders geritten werden, wie hier, ganz frei nach dem Motto ‚andere Länder, andere Sitten‘.

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  2. Frank

    Hi Youngvaquero!
    Erzähl uns doch noch ein Bisschen mehr über die Hilfen. Das würde mich sehr interessieren. Solange diese DVD-Serie noch nicht erschienen ist (ich hoffe, die kommt überhaupt noch…) brauche ich Infos auf anderem Wege… :-)

    Sehr viel Spaß und Sonne

    Frank

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    1. tom Artikelautor

      Hi Frank! Wenn wir genug Zeit finden werden wir in den nächsten 2 Wochen die Hackamore-DVD fertig stellen, Jeffs PC ist gerade aus der Reparatur zurück und wir können theoretisch loslegen. Das Problem ist das hier auf der Anlage noch ca. 1 Mio andere Baustellen auf uns warten, und da erstmal die Prios gesetzt werden müssen. Mit der kompletten Ranch umziehen ist echt der Hammer …

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